Voigtlander Perkeo E in eveready case

Voigtländer Perkeo E

Auf Reisen und ausgedehnten Radtouren begleitet mich immer eine Kamera. Dabei ergibt sich ein Problem: wie schütze ich das wertvolle Präzisionsinstrument (wenn wir von einer SLR ausgehen) vor Erschütterungen? Dafür sind mir zwei Lösungen bekannt, die meine Ansprüche an die Bilder und die sportlichen Ambitionen nicht behindern: ab in den Rucksack (schwer!) oder eine Kleinbild-Kompaktkamera (Zorki-6, Kiev-4am) mit guten russischen Wechselobjektiven. Die Leica- und Contaxnachbauten sind so stabil, dass ihnen der Transport in der Lenker- oder Packtasche nichts ausmacht und dabei noch so klein, dass sie auch in die Hüfttasche passen.

Noch eine weitere Kameragattung gibt es, auf die diese Beschreibung passt: die Klappkameras. Manche Modelle, die Mittelformatfilm verwenden, sind nur unwesentlich grösser als die zuvor genannten Probanden, nur leider ohne die Möglichkeit des Objektivwechsels. Um festzustellen, wie es sich damit arbeiten lässt und ob sie eine Konkurrenz zu meinen kleinen Russinnen sind, habe ich mir eine Voigtländer Perkeo näher angeschaut.

Geschichte
Perkeo im Detail
Conclusio - soll man damit fotografieren?
Galerie - Bilder, die mit der Perkeo E entstanden sind
Links und andere Quellen

Geschichte

Als die Firma Voigtländer 1955 ihr letztes Perkeo-Modell herausbrachte, bereitete man sich wohl gerade auf das 200-jährige Firmenjubiläum vor. Dass aber die Firma just zu ihrem runden Geburtstag an die Zeiss AG verkauft wird, das haben die Arbeiter sicher nicht erwartet. Aber auch unter dem neuen Herrn blieb die Entwicklungsabteilung bestehen und man konkurrierte auf einem immer kleiner werdenden Markt, bis 1974 die Produktion aufgelöst wurde. Über die Hintergründe des Niederganges eines der innovativsten deutschen Kameraproduzenten finden sie auf den Seiten des Taunusreiters eine schöne Zusammenfassung.

Voigtlander Perkeo E logo

Zurück zur Perkeo. Ihr Name geht meiner Meinung nach auf den im 18. Jahrhundert in Heidelberger lebenden Hofzwerg von Kurfürst Karl III. Philipp zurück. Dazu finden Sie in Wikipedia mehr. Von der Perkeo-Kamera selbst baute Voigtländer vier Varianten, wobei das Vorkriegsmodell “3x4” kaum etwas mit den übrigen gemeinsam hat, hier wurde der Filmtyp 127 (4cm hoch) verwendet. Die Kamera wirkt deshalb, solang sie geschlossen ist, gedrungen, hat einen Klappsucherrahmen und die Fokussierung erfolgt über ein Rad am Kameraboden.

Ab 1951 hatte man mit dem Modell I das Format gewechselt (trotz des 120 Film mit 6x6 cm Negativen wirkt sie sehr zierlich) und damit die entgültige Form der Serie gefunden. Von nun an ging es nur noch um Detailverbesserungen. Bot das erste Nachkriegsmodell gerade mal Selbstauslöser und Doppelbelichtungssperrmechanik, so spendierte man im darauffolgenden Jahr dem Modell II ein Bildzählwerk. Die Kamera wäre damit fast schon kompfortabel zu nennen, wäre da nicht die fehlende Entfernungsmessung. Diese wurde 1955 in der Perkeo E (oder Perkeo III E, wie sie manchmal auch genannt wird) eingebaut. Leider wurde aus Platzgründen der Bildzähler wieder weggelassen. In einigen Quellen habe ich gelesen, dass dieses Modell das seltenste ist.

Bei Voigtländer produzierte man parallel mehrere Ausstattungsvarianten, sodass der Kunde zwischen günstigen Einsteigermodellen mit einfachen Linsen und Verschlüssen und teureren “Profigeräten” wählen konnte. Das Modell, über das ich hier schreibe, ist eine Perkeo “E” in der teuersten Variante mit dem Color-Skopar-Objektiv und einem Prontor SVS Verschluss.

ModellBaujahrFormatVerschlussObjektivsonstiges
Perkeo 3x41931-19353x4Embezet
Compur
Skopar 4.5/35 mm
Heliar 4.5/35 mm
Selbstauslöser
Perkeo I1951-19526x6Vario
Pronto
Prontor S/SVS
Synchro-Compur
Vaskar 4.5/75 mm
Vaskar 4.5/80 mm
Color Skopar 3.5/80 mm
Selbstauslöser
Doppelbelichtungssperre
Perkeo II1952-19556x6Prontor S/SVS
Compur-Rapid
Color-Skopar 3.5/80 mmSelbstauslöser
Doppelbelichtungssperre
Bildzählwerk
Perkeo E1955-19576x6Pronto
Prontor S/SVS
Vaskar 4.5/80 mm
Color-Skopar 3.5/80 mm
Selbstauslöser
Doppelbelichtungssperre
Entfernungsmesser

Perkeo im Detail

Die Perkeo E ist eine Mittelformat-Klappkamera mit Faltenbalg und Metallgehäuse. Sie ist im zusammengelegten Zustand sehr kompakt, passt so auch in eine Manteltasche und ist in ihrer Bereitschaftstasche gegen rohe Behandlung gut geschützt. Durch ihr vierlinsiges Color-Skopar Objektiv ist sie für qualitativ hochwertige Farbaufnahmen geeignet (sagte zumindest der Hersteller in den 50er Jahren). Das Color im Namen sollte die Farbkorrektur und somit die Eignung für Colorfilm unterstreichen. Dabei geht es nicht um Farbneutralität sondern um das vermeiden von Farbsäumen, die bei nichkorrigierten einfachen Linsenkonstruktionen entstehen. Dass das auch bei SW-Aufnahmen stört, sei hier nur am Rande festgehalten.

ModellbezeichnungPerkeo (III) E
HerstellerVoigtländer
Baujahr1955-1957
Maße93 x 127 x 45 bzw. 98 (offen) mm (HxBxT), 760 g
Filmformat120
FilmtransportTransportrad links, Filmguckloch
VerschlussZentralverschluss
Ponto oder Prontor-SVS, 1-1/300, B
Fokussierungam Objektiv (ab 1m)
Belichtungsmessungkeine
AuslöserDruckknopf oben rechts
BlitzauslöserX- und M-Kontakt
Zubehörschuhja (ohne Blitzkontakt)
AufnahmeobjektivVaskar 4.5/80 mm
Color Skopar 3.5/80 mm
Stativanschluss3/8" mit Einsatz für 1/4"
weitere FeaturesSelbstauslöser
Entfernungsmesser (ungekoppelt)
Doppelbelichtungssperre

Wie bei solchen Kameras üblich, stellt man alles, was für die Aufnahme wichtig ist, am Objektiv oder dem dahinter befindlichen Verschluss ein. Ausgelöst wird immerhin schon mit einem Druckknopf am Gehäuse, der über einen Hebel mit dem Verschluss verbunden ist. Das ist aber auch eine der beiden möglichen Problemquellen bei dieser Art von Kameras, dass nämlich dieser Hebel schlecht justiert ist und nicht korrekt auslöst.

Das andere Problem ist die Mechanik, mit der das Objektiv ausgeklappt wird. Sie ist relativ empfindlch gegen rohe Gewalt bei der Bedienung. Schnell ist etwas verbogen und dann ist die Schärfeebene nicht mehr parallel zur Filmebene. Das lässt sich zwar von einer Fachwerkstatt beheben, aber nicht zu einem vertretbaren Preis. Seien Sie also bitte vorsichtig, wenn sich die Mechanik spießt.

Ansonsten ist die Perkeo eine übersichtliche Kamera, die keine Geheimnisse bereithält. So ähnlich wie bei einer alten Leica gibt es zwei Visiere, eines für die Ausschnittbestimmung und eines zum Scharfstellen, wobei man zwei Bilder mit dem Rad rechts oben zur Deckung bringt. In einem Fenster darüber wird die Entfernung angezeigt. Da das Objektiv nicht mit dem Entfernungsmesser gekoppelt ist, muss man den Wert dann auf das Objektiv übertragen.

Der Verschluss befindet sich direkt hinter dem Objektiv und abgesehen von der Zeit stellt man dort auch den Selbstauslöser und die Blitzsynchoisation ein. Sollten ihre Vorräte alter Blitzbirnen zu Ende sein, dann können Sie auch mit modernen Elektronenblitzen arbeiten (Schalter auf “X” stellen). Leider hat der Zubehörschuh keinen Auslösekontakt, sodass Sie den Blitz durch ein Kabel mit dem Verschluss verbinden müssen.

Gleich neben dem Blitzschuh finden Sie ein kleines Loch im Gehäuseoberteil, hinter dem sich ein weisser Pfeil zeigt, sobald Sie den Film weitertransportiert haben, und der wohl verschwindet, sobald Sie den Auslöser betätigen. Ich kann das nur vermuten, bei meiner Kamera zuckt der Pfeil nur ein wenig nach hinten, was aber keine gesicherte Aussage zulässt.

Als nettes Gimmik gibt es einen in der Objektivklappe integrierten Hebel, mit dem man die Kamera auf ebenem Untergrund für Aufnahmen mit dem Selbstauslöser aufstellen kann. Vergessen Sie nicht, ihn wieder einzuklappen, bevor Sie die Kamera schliessen.

Voigtlander Perkeo E: opening

Bedienungsschritte

Geöffnet wird die Objektivklappe mit einem kleinen Druckknopf im Kameraboden. Dadurch springt die Klappe einen Spalt auf und wird von Ihnen vollständig geöffnet. Merken Sie, wie satt die Mechanik einrastet? Die Perkeo ist wirklich robust konstruiert.

Film einlegen und - weiterdrehen ist wie in vielen anderen alten Mittelformatkameras. Bei der Perkeo wird es durch die ausschwenkbare Rollenhalter und die einseitig angelenkte Rückwand sogar recht einfach gemacht.

Fotos mit der Perkeo machen ist da ganz anders, das ist ein Ritual. Hier geht nichts automatisch, deshalb sollte man sich, wenn man denn wirklich damit arbeiten will, eine gewisse Regelmäßigkeit angewöhnen. Denn nichts verhindert beispielsweise, dass Sie den Fim weitertransportieren, ohne eine Aufnahme gemacht zu haben. Wie Sie das halten, bleibt natürlich Ihnen überlassen, aber ich drehe nach jedem Foto immer sofort zum nächsten Bild weiter.

Eine Warnung vorweg: spannen Sie den Verschluss vorsichtig, aber mit Nachdruck! Wenn Sie den Hebel nämlich nicht bis zum Anschlag drücken, dann rastet er nicht ein und springt zurück, wobei sich der Verschluss wie bei einer Auslösung kurz öffnet. Das sehen Sie dann als Geisterbild auf der Aufnahme. Also immer sauber spannen!

Auf geht’s! Zuerst messe ich die Belichtung und stelle Zeit und Blende am Verschluss ein. Dann ermittle ich die Entfernung und übertrage den Wert ebenfalls auf das Objektiv. Jetzt noch den Verschluss spannen, anvisieren und auslösen. Und sofort darauf den Film weiterdrehen nicht vergessen!

Das waren jetzt einige Schritte und wenn man einen vergisst, dann sind die Chancen, dass das Bild nichts wird, recht gut. Aber keine Sorge, es ist wie das Schalten im Auto. Nach kurzer Zeit geht es automatisch oder man kauft sich eine Automatik.

Nach der 12. Aufnahme dreht man solange, bis der Papierträger vollständig umgespult ist, was man am Filmguckloch sehr schön sieht. Dann Kamera öffnen, Film entnehmen und Lasche auf der Filmrolle zukleben, leere Rolle von rechts nach links wechseln und neuen Film einlegen. Kamera schliessen und solange an dem Transportrad drehen, bis die “1” im Guckloch erschein. Fertig für neue Schandtaten!

Conclusio

Die Perkeo E ist eine sauber konstruierte, kompakte und robuste Mittelformatkamera. Sobald Sie die Bedienung verinnerlicht haben, ist der Umgang damit erfreulich geradlinig. Das vierlinsige Color-Skopar ist, im Vergleich zu heutigen Optiken, kontrastärmer und durch die fehlende Streulichtblende auch anfälliger für interne Reflexionen. Wenn man das bedenkt, dann sind die erzielten Ergebnisse doch überraschend gut, wie Sie weiter unten sehen werden.

Als “immer-dabei” Kamera stört mich an ihr persönlich am meissten, dass die Entfernungsmessung nicht mit dem Objektiv gekoppelt ist. Da die Fokussierung bei schlechtem Licht und fehlenden Kontrastkanten im Bild nur schwer möglich ist, schätze ich die Entfernung lieber, das geht schneller.

Mein zweiter Kritikpunkt ist, dass die Filmtransportsperre fehlt. Versuchen Sie einmal, in der Dämmerung oder in einer Kirche durch das rote Guckloch die Bildnummer am Film zu erkennen. Ich empfehle, eine Minitaschenlampe am Schlüsselbund mitzunehmen.

Am ehesten würde ich sie daher bei den am Anfang beschriebenen Gelegenheiten einsetzen: im Freien, bei Ausflügen, für Landschaftsaufnahmen, Gruppenfotos und allem, was im Freien passiert. Sport- und Actionfotografie sind nicht ihr Metier. Für “klassische” Portraits kann ich sie mir aber sehr gut vorstellen. Wenn Ihnen die Idee einer kompakten Reisekamera gefällt, Sie aber eine moderne Ausstattung und Wechseloptiken suchen, dann würde ich Ihnen eine Mamiya 6 empfehlen

Hier nun zu den Bildern, die ich mit der Perkeo E aufgenommen habe.

Links und andere Quellen

Perkeo HistoryFotos und Daten der Perkeo-Kameras
Ende einer Äraüber den Untergang der deutschen Kameraindustrie erzählt der Taunusreiter
Perkeo I, II und EVintage folding cameras by Jurgen
Voigtlander Perkeo E from all sides Voigtlander Perkeo E in ever-ready-case Voigtlander Perkeo E leaning on integrated stand Voigtlander Perkeo E: details of rangefinder and release button Voigtlander Perkeo E: Color-Skopar lens Voigtlander Perkeo E from rear side interior of Voigtlander Perkeo E