Die Flexaret-Story: Einleitung

Flexaret camera impressions

Die Kameras der Flexaret-Serie sind TLR (Twin-Lens-Reflex), die mit Film vom Typ 120 (Mittelformat, 6x6 cm) arbeiten. Sie sehen ein wenig aus wie Rolleiflex oder Yashicamat und waren früher, bevor Kiev-60 Kameras sie ersetzten, ein im Ostblock von Profifotografen und betuchten Amateuren gerne eingesetztes Werkzeug. Sie besitzen Metallgehäuse und sind natürlich vollmechanisch. Zur Zeit ihrer Konstruktion war es noch durchaus üblich, dass ein Hersteller das Objektiv und den Verschluss von anderen Firmen zukaufte. So auch hier, wobei man versuchte, sich durch die Wahl guter Komponenten von der billigen Bakelit-Konkurrenz abzugrenzen.

Das Prinzip der TLR

Die Konstruktion wirkt für uns, die wir an SLRs gewöhnt sind, anachronistisch. Warum zwei Objektive? Wieso gibt es keinen Prismensucher? Wo stelle ich die Verschlusszeit ein, wo ist der Auslöser und wie kann ich zoomen?

Also: bei dieser Kameragattung wird das Motiv von oben durch den Lichtschacht anvisiert, der ein aufrechtes, aber seitenverkehrtes Bild zeigt. Dabei schaut man durch das obere (Sucher-)Objektiv, das das Bild über einen Spiegel auf eine Mattscheibe wirft. Sobald man den Auslöser betätigt, wird der Zentralverschluss im unteren Objektiv ausgelöst und ein Bild belichtet. Das geht fast geräuschlos, weil es keinen Schwingspiegel wie bei SLR-Kameras gibt.

Die beiden Objektive sind mechanisch miteinander verbunden, wenn das Bild auf der Mattscheibe scharf ist, ist auch das Aufnahmeobjektiv richtig fokussiert. Das Sucherobjektiv besitzt leider keine Blendenmechanik, man betrachtet das Ziel also immer mit “offener” Blende, d. h. mit geringster Schärfentiefe. Deshalb kann man zwar leicht scharfstellen, nicht jedoch die Wirkung der Blende kontrollieren.

Zentralverschluss? Nie gehört.

In TLR-Kameras (und vielen anderen älteren Kameras) wurde ein sogenannter Zentralverschluss eingebaut. Diese Art nennt man so, weil der Verschluss an einer zentralen Stelle im Objektiv sitzt, nämlich dort, wo sich die Strahlen kreuzen. Er öffnet sich wie eine Iris, und weil das Strahlenbündel dort sehr eng ist, muss er auch nicht weit aufmachen. Ein weiterer Vorteil ist, dass Elektronenblitze bei allen Zeiten einsetzbar sind, da immer das ganze Bild gleichzeitig Licht erhält, anders als bei einem Schlitzverschluss, der bei kurzen Zeiten eine wandernde Öffnung variabler Breite am Film vorbeiführt.

Der Nachteil des Zentralverschlusses liegt in der minimalen Belichtungszeit, die nur mit hohem Aufwand unter 1/500 Sekunde gedrückt werden kann, weil kurze Zeiten durch Erhöhung der Federvorspannung erzeugt werden. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass der Verschluss nicht mit Objektiven unterschiedlicher Brennweite eingesetzt werden kann, da sich durch die Veränderung der Brennweite die Position des Strahlenkreuzpunktes stark verschiebt. Wechselobjektive sind deshalb bei TLRs selten (Mamiya baute mit der C-Serie die einzige kommerziell erfolgreiche Ausnahme). Selbst Franke&Heidecke / Rollei haben bei ihren Rolleiflex- und Rolleicord-TLRs eigene Weitwinkel- und Telekameras produziert, statt Wechselobjektive anzubieten.

Verschluss und Objektiv kamen von verschiedenen Herstellern. Da sich der Verschluss im unteren (Aufnahme-)Objektiv befindet, ist es für den Konstrukteur am leichtestes, den bereits vorhandenen Auslösehebel weiter zu verwenden. Auf älteren Flexaretmodellen finden wir den Auslöser daher direkt am unteren Objektiv, genau wie den Hebel, mit dem der Verschluss gespannt wird. Erst später, mit der Verwendung neuerer Verschlüsse, gib es einen eigenen Auslöser und der Verschluss wird mit dem Filmtransport gespannt.