Die Flexaret-Serie im Überblick

Flexaret camera impressions

Hier will ich einen kurzen Überblick über die Serie geben und zeigen, was sie gemeinsam haben und welche Entwicklungsrichtungen man bei Meopta (die ja die meissten Modelle produzierten) verfolgt hat. Auf Details wird beim jeweiligen Modell eingegangen.

Geschichte

Die Entwicklung der Flexaret-Serie ist ein schönes Beispiel, wie Kameras in Osteuropa über lange Zeiträume und sogar von verschiedenen Herstellern weiterentwickelt wurden. Begonnen hat es 1936, als die Gebrüder Bradác (Bratri Bradácove) in ihrer eigenen Firma in Hovorcovice (Tschechoslovakei) eine Reihe von TLR-Kameras (Kamarád I und M II sowie Autoflex) und Flexette bauten. Als die Firma aus finanziellen Gründen 1938 geschlossen werden musste, nahmen die beiden ihre Konzepte und die Produktion laufender Modelle zu Optikotechna (Prag, gegr. 1933) mit, in der sie als Chefingeneure weiterarbeiteten. Vor dem zweiten Weltkrieg kamen dann noch die Modelle Optiflex und Flexaret I auf den Markt.

Nach der Okupation durch Nazi-Deutschland (1939) musste die Firma optische Instrumente für den Krieg bauen und die Kameraproduktion wurde gedrosselt. Dennoch kam 1941 das Modell II heraus. 1946 ging Optikotechna im verstaatlichten Betrieb Meopta auf, wo im Werk Prerov die restlichen Modelle erschienen. In den Jahren bis 1971 wurden die Modelle Flexaret IIa bis VII gebaut. Damit endete eine beeindruckende Entwicklung, denn in der inzwischen vollständig privatisierten Firma werden heute keine Kameras mehr hergestellt.

Gemeinsamkeiten

Alle Modelle sind zweiäugige Spiegelreflexkameras (TLR) mit einem Lichtschachtsucher. Die Gehäuse sind aus Metall, die “Belederung” schwarz oder silbergrau. Die Mattscheiben hat keine Fresnellstrukturen oder sonstige Einstellhilfen. Dafür gibt es eine einschwenkbare Lupe.

Das Bild des oberen der beiden Objektive wird auf der Mattscheibe angezeigt. Die beiden Objektive sind miteinander gekoppelt. Der Auslöser befindet sich auf der Frontseite der Kamera, meistens in der Nähe oder am unteren Objektiv, in dem auch der Zentralverschluss sitzt. Verschlusszeit- und Blendeneinstellung sind rund um das untere Objektiv angeordnet.

Die Filmkammer ist mit einem Deckel verschlossen, der an einer Schwenkachse mit der Unterkante der Frontseite verbunden ist und durch einen Druckknopf auf der linken Gehäuseseite geöffnet wird. Durch das im Kameraboden angebrachte Stativgewinde (3/8 Zoll) kann die Kamera nach vorne geklappt und der Film gewechselt werden, ohne sie vom Stativ zu nehmen.

Der Film ist ein üblicher Typ 120 (6x6cm) und wird von unten nach oben gespult. Der Transportknopf oder -hebel befindet sich auf der rechten Gehäuseseite, ebenso der Bildzähler, falls vorhanden.

Und wenn etwas allen Modellen gemeinsam ist, dann die Ugewissheit, ob man wirklich alle jemals verwendeten Verschlüss- und Objektivkombinationen kennt. Ich vermute es wurde eingebaut, was gerade praktikabel und verfügbar war. Scheinbar wurden auf Kundenwunsch auch ältere Gehäuse mit neueren Komponenten aktualisiert. Meine Angaben beruhen auf tatsächlich in dieser Form auf einer Fotobörse oder in eBay angeboten Geräten.

Ein grober Überblick über die Modellentwicklung

Eine Genealogietafel aller Modelle finden sie hier.

Wenn wir die Vorläufer beiseite lassen, finden wir die Modelle I bis VII sowie das Modell “Standard”. Beim Modell I waren die Objektive noch mit einem Seilzug gekoppelt. Das änderte sich mit dem Modell II, als Meopta die Produktion von Optikotechna übernahm. Es wurde eine gemeinsame Objektivträgerplatte eingeführt, die für den Rest der Serie beibehalten wird. Die Fokussierung erfolgt mit einem Hebel unter dem Aufnahmeobjektiv, so wie bei den Minota Autocord-Modellen, die aber erst Jahre später auf den Mark kamen. Als Filter werden 30mm-Steckfilter und -Streulichtblenden verwendet.

Beim Modell III experimentierte man mit einer Transportkurbel statt dem Drehknopf. Offensichtlich hatte man aber nicht die Kapazität, das neue System günstig zu produzieren und ging beim Modell IV wieder zum Drehknopf zurück, dem aber ab nun eine Autostop-Mechanik beigefügt ist. Somit kann das Guckloch in der Rückwand entfallen und wird durch eine Belichtungskorrekturtabelle für verschiedene Filmtypen und Filter ersetzt. Das Gehäuse ist nun an der Oberkante der Front leicht gewölbt und der Schriftzug folgt dieser Kontur. Der Objektivtyp änderte sich grundlegend. Waren es davor verschiedene dreilinsige Triotar-Variationen, so wurden ab nun vierlinsige Tessare (“Belar”) eingesetzt.

Ab nun kann prinzipiell auch mit Kleinbildfilm gearbeitet werden. Veschiedene 35mm-Adapter wurden produziert. Aber erst mit dem Modell Va wird auch ein Rückspulknopf eingebaut. Alle folgenden Modelle sind, bis auf die “Standard”, Kleinbild-tauglich.

Mit dem Modell V änderte sich das Spannen des Verschlusses. Er wird ab nun mit dem Filmtransport gekoppelt. Ungewollte Doppelbelichtungen werde so wirksam vermieden.

Die Modelle VI und VII tragen den Namenszusatz “Automat”, was sich auf die Kopplung von Zeit- und Belichtungseinstellung bezieht. Eine Änderung der Blendenöffnung bewirkt gleichzeitig eine Anpassung der Belichtungszeit.

Ab Modell VI wird das 30mm-Steckfiltersystem durch ein B36-Bajonett ersetzt.

Zwischen VI und VII kam das abgespeckte Modell Standard heraus, bei dem die Blenden-/Zeitkopplung, der Autostop-Mechanismus und die Kleinbildfähigkeit eingespart wurden.

Beim Modell VII wird mit dem Pentacon Prestor-Verschluss eine kürzeste Verschlusszeit von 1/500 Sekunde erreicht. Auch der Prontor SVS erreicht diese Zeit nun. Am Höheunkt ihrer technischen Entwicklung endet die Produktion 1971.

Wenn man die Entwicklung der Flexaret so im Zeitraffer betrachtet, fallen einige Dinge auf. Bei ihrem Erscheinen waren die ersten Modelle wohl als Konkurenz zur Rolleicord gedacht. Genau wie bei der ersten Rolleicord von 1933 finden wir Triotar-Objektive und Compur-Verschlüsse sowie die Filmtransportkontrolle durch ein Guckloch.

Die späteren Modelle versuchten sich als Räuber im Rolleiflex-Revier. Auch hier wurde der Tessar-Objektivtyp übernommen, genau wie die Autostop-Mechanik bis hin zur Kreuzkopplung von Blende und Zeit der “Automat”-Modelle, die in der Rolleiflex T bereits in den frühen 50ern auftauchte. Als Verschlüsse kamen bei Francke & Heidecke Synchro-Compure in die Gehäuse, also die besseren Brüder der Compur-Rapid und Pronor-SVS, die ja auch aus Deutschland stammten.

Wenn sie sich fragen, wieso Ostblockkameras mit westlichen Verschlüssen ausgesstattet wurden, dann hat das einen einfachen Grund. Man wollte auf dem Auslandsmarkt bestehen und damals gab es genau zwei Firmen, die Zentralverschlüsse hoher Qualität bauten: Alfred Gauthier, Calmbach (AGC) mit seinen Prontor-Modellen und Friedrich Deckel, München (FD) mit den Compuren. Dass im Hintergrund die Firma Zeiss bei beiden mitregierte, dürfte nicht gerade den Wettbewerb gefördert haben. Tatsache ist, dass viele Kameras aus Deutschland bis in die 60er-Jahre mit solchen Verschlüssen ausgestattet wurden, während in Japan der Zug der Zeit in Richtung Schlitzverschluss abgefahren war. Diese Entwicklung wurde hier komplett verschlafen und trug zu einem wesentlichen Teil zum Untergang der westeuropäischen Kameraindustrie bei. Aber das ist eine andere Geschichte.